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Der 3. März 1980

Der 3. März 1980

Montag, 3. März 1980. Mein erster Arbeitstag nach der Lehre als kaufmännischer Verwaltungsangestellter. Nach drei Jahren die eine fixe Stelle bei der Landesverwaltung. Schädlerhaus, Vaduz. Dort kenne ich niemanden. Zivilstandsamt, Landwirtschaftsamt und Forstamt sind hier untergebracht.

Mein Arbeitsplatz im ersten Stock. Landwirtschaftsamt. Ich klopfe schüchtern an. Nichts. Ich gehe durch die Tür. Ein leeres Büro vor mir. Im Nebenzimmer sehe ich einen kleinen, unscheinbaren Mann an seinem großen Schreibtisch sitzen. Er schreibt von Hand, und raucht. Er sieht micht, steht er auf, kommt mir ausgestreckter Hand auf mich zu. Ich bin Ernst, hoi Herbert. Hoi Ernst. Er erklärt, dass seine Sekretärin Hulda Geburtstag habe und heute nicht komme. Auf der Veranda solle ich mir ein Büro einrichten. Wenn Du Möbel brauchst kannst Du Kurt Marxer anrufen.

Ich gehe ans Werk, richte es mir langsam gemütlich ein. Ein Traum auf dieser hellen Veranda mit Blick auf die Florinsgasse. Künftig werde ich hier viel zu sehen bekommen, von der Hochzeit bis zur Beerdigung, ältere Frauen auf dem Weg zum Friedhof, der Forstbeamten Kommen und Gehen.

Kurz nach neun gibt es Kaffeepause. Monika, die Sekretärin des Zivilstandsamts, weist mich in die Kaffeearbeit ein. Wir sitzen beim Kaffee. Der Zivilstandsbeamte Gebhard, ein ehemaliger Polizist, gesellt sich dazu. Es klopft und ein Kopf erscheint. Den kenne ich aus der Zeitung. Dr. Walter Oehry, Regierungsrat (Minister), zuständig für Wald, Natur und Landwirtschaft. Ernst stellt uns vor. Willkommen Herbert. Hallo Walter. Er will Hulda zum Geburtstag gratulieren. Da sie nicht da ist, gibt er mir den Strauß Blumen und verschwindet mit Ernst in dessen Büro.

Am Nachmittag. Ich richte mein Büro weiter ein. Ernst erhält Besuch aus dem oberen Stock. Meine ich. Doch der Besuch galt mir. Landesforstmeister Eugen. Wo ist er, der Triesenberger? Ich erkenne seine Stimme sofort. Er ist einer der besten Freunde meines Großonkels August. Meine Familie mütterlicherseits kennt er sehr gut. Mein Großvater sitzt mit ihm am selben Stammtisch im Real. Wir wechseln ein paar Worte von Triesenberger zu Triesenberger. Dann wendet er sich Ernst zu. Land- und Forstwirtschaftliches wird kurz besprochen. Die beiden sind fast immer einer Meinung.

Nach dem Nachmittagskaffee geht Ernst zu mir in ein Büro. Jetzt ist er da, meinte er. Eine Türe war mit Landesveterinär angeschrieben. Ernst klopfte und betrat das Zimmer. Erich, sagt er, wir haben einen neuen Mitarbeiter. Dr. Erich Goop, der Landestierarzt schaut mich an. Ich gebe ihm die Hand und sage Grüß Gott. Er begrüßt mich und schaut in seine Akten. Erst anderntags, als ich ihm die Post bringe, spricht er mehr mit mir. Er werde mich nur gelegentlich brauchen, aber er bevorzuge das liechtensteinische «Du», nur, meinte er, der Doktor müsse bleiben. Künftig betrete ich sein Büro immer mit den Worten «Du Doggter …»

Die folgenden drei Jahre sind für mich und mein Leben, so denke ich oft, mitentscheidend.

Nachdem ich nach und nach die «alte» Landesverwaltung kennengelernt hatte. Fast sämliche Mitarbeiter der Verwaltung zumindest vom Sehen kannte. Die Amtsleiter und Abteilungsleiter der alten Schule lernte ich mehr oder weniger zu schätzen. Benno, Hugo, Bruno, Gustl, Norbert, Günther, Karl, Franz usw. – eine Männerwelt.

Jetzt würde ich ein Amt über Jahre hinweg sehen. Kurze Wege, Direkttelefon zur Regierung, Handschlagqualität. Wahl- und Postenkämpfe.

Mein Chef Ernst war an Großzügigkeit, Wissen und Intelligenz den anderen Amtsleitern überlegen. Seine Lebensweisheiten, sein Geschichtsbild in Anekdoten (Jahrgang 1920), von der Zeit der liechtensteinischen Nationalsozialisten, seine politische Einstellung. All das hat er mir mitgegeben. Bei schönem Wetter sagte er oft zu mir: Geh zu den Bauern, schau wie es ihnen geht.

Ich habe mich von Balzers bis Ruggell bei den Bauern herumgetrieben. Ihren Geschichten zugehört, jeweils mit dem vor allem im Unterland obligatorischen Schnaps oder einem Bier. Wenn ich einmal etwas zuviel getrunken hatte, fuhr ich direkt nach Hause. Die damals noch neue Stempeluhr bediente Ernst für mich. Ich erinnere mich auch an einen heißen Sommertag. Im Landwirtschaftsamt war ein Lehrmädchen, mit dem ich mich sehr gut verstand. Was meint ihr? sagte er am Morgen, fahrt doch zusammen ins Tessin zum Mittagessen, ich schreibe Euch den Tag gut. Kupplerei der angenehmen Art.

Als es mich unsteten Geist weitertrieb, verschaffte mir Ernst einen Tag in der Redaktion der NZZ, Dr. Walter Diggelmann, ein Freund von Ernst, nahm sich einen halben Tag Zeit, mir einen Ein- und Überblick in die Arbeit eines Redakteurs und eines Journalisten zu geben. Und schließlich war Ernst es, der mir entscheidenden Ansporn gab, das Abitur nachzuholen.

Ich war später noch oft bei ihm im Amt und später auch zuhause im Gässli. Er war ein Freund geworden und er wäre es sicher heute noch.

Dipl. Ing. agr. Ernst Ospelt, Amtsleiter Landwirtschaftsamt

walter oehry (2)

Regierungsrat Dr. Walter Oehry

Eugen

Dipl. Ing. Eugen Bühler, Landesforstmeister

erich goop

Dr. med. vet. Erich Goop, Landestierarzt

An guata Rutsch

Ein kurzer Streifzug durch die frühe Geschichte der Triesenberger Volksschule

Rosh ha-Shana bezeichnet das jüdische Neujahr. Shana Tova ist der Neujahrsgruß und bedeutet, so wie bei uns ‚gutes neues Jahr‘. Oft wird es auch mit u’metuka ergänzt (‚ein gutes und süßes Jahr‘).

Franz Näscher ist mir zuvorgekommen und hat die von mir geplante Wortgeschichte zum guten Rutsch ins neue Jahr im heutigen Vaterland [27.12.2014] in einem Leserbrief bereits geschrieben. Es bleibt mir nicht mehr viel anderes übrig, als seine Ausführungen zu zitieren.

«In diesen Tagen vor Neujahr hören wir den Wunsch für «’n guata Rotsch». Auch ich wünsche ihn allen, die diese Zeilen lesen – aber in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes. Denn ein Rutsch auf einem vereisten oder anderswie glatten Weg verunsichert. Ich bin vor Jahren bei einer Bergwanderung auf einem dürren Grasabhang ausgerutscht und habe mir dabei den Arm gebrochen.

Wenn wir den Ursprung dieser Redewendung kennen, merken wir, dass sie nichts mit einem Rutsch zu tun hat. Sie stammt aus dem Jiddischen; das war die Umgangssprache besonders der osteuropäischen Juden und ist heute vor allem in Amerika und in Israel unter älteren Juden noch gebräuchlich. Der Neujahrswunsch «’n guata Rotsch» knüpft an den jiddischen, ähnlich klingenden Neujahrswunsch an und geht auf das hebräische «rosch» zurück. «Rosch» heisst «Anfang». Einander «’n guata Rotsch» zu wünschen, heisst dann nichts anderes, als «einen guten Anfang» wünschen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Wunsch «Hals- und Beinbruch», den man in anderem Zusammenhang hört und der wörtlich genommen auch nicht gerade wohlwollend klingt. Er ist ebenfalls aus dem Jiddischen abzuleiten, als witzig-paradoxe Verballhornung von «hazlachah ubracha», was «Glück und Segen» bedeutet.

In diesem Sinne dürfen wir zum Beginn des Jahres 2015 getrost beides wünschen: «einen guten Rutsch» und «Hals- und Beinbruch» – einen guten Anfang sowie Glück und Segen. Beides sind Wünsche, die bei uns erst in den letzten Jahr- zehnten vermutlich durch die Medien gängig geworden sind. «Rosch» hat mit Gott, dem Schöpfer, zu tun. «Rosch» steckt im ersten Wort der hebräischen Bibel: «be-rosch-it» – «am Anfang» schuf Gott Himmel und Erde. […]

Franz Näscher, Pfr. i. R. Kirchagässle 14, Bendern»

Es gilt der Vollständigkeit noch anzuführen, dass von der Sprachwissenschaft auch eine andere Herleitung von Rutsch in Erwägung gezogen wird. Rutsch, Rotsch bedeutet bei uns auch ‚Teil einer Arbeit‘ (Jetz sinn mer an guata Rotsch vöri ko ‚jetzt haben wir ein großes Stück Arbeit geleistet‘. Diese Bedeutung stammt aus dem mittelhochdeutschen rutsch und bedeutet dort auch ‚kleine, kurze Reise‘.

Franz war einer der wenigen Pfarrer war, die ich schätzte. Wir haben Ende der 70er Jahre in der Redaktion der katholischen Jugendzeitschrift ZITIG zusammen mit Mona Gross einige «heiße» Themen behandelt, die er vor dem Dekanat gelegentlich zu verteidigen hatte und dies auch tat.

 

Weihnachtsgurke / Christmas Prickle

Die Weihnachtsgurke

zur Englischen Version / in English

Ich habe vor einer Woche in Bregenz zufällig bei 4D Outfitters als Weihnachtsschmuck eine Gurke gesehen. Neugierig frug ich Giovanni, einen der Ladenbesitzer, was es mit dieser Glasgurke auf sich habe. Die Weihnachtsgurke (Christmas pickle) gilt in den USA als Weihnachtsbaumschmuck. Sie ist in der Regel eine aus Glas hergestellte, mundgeblasene Gewürzgurke. Diese wird zwischen den Zweigen und des übrigen Baumschmucks mehr oder weniger versteckt angebracht. Das Familienmitglied, das die Weihnachtsgurke entdeckt, erhält ein zusätzliches Geschenk. Die Glasbläsereien bieten drei unterschiedliche Größen an, um den Schwierigkeitsgrad für das Finden der Gurke an das Alter der Kinder anzupassen.

In den USA geht man davon aus, dass dieser Brauch als alte deutsche Tradition, bei den Amerikanern weiter gepflegt wird. In den deutschsprachigen Regionen ist die Weihnachtsgurke jedoch beinahe unbekannt. Vereinzelt tauchen an Weihnachten Weihnachtsgurken als Speise auf; das kann jedoch auf einer andere lokalen Tradition beruhen. Auch ist eine Übernahme aus den Vereinigten Staaten zumindest nicht auszuschließen.

Die amerikanische Version geht auf den Bürgerkrieg zurück. Ein junger deutschstämmiger  Soldaten geriet in Gefangenschaft. Dieser Soldat war dem Tod schon sehr nahe und hatte als letzten Wunsch, eine saure Gurke zu erhalten. Dieser Wunsch wurde ihm erfüllt. Er überlebte und fürderhin hängte er eine Gurke zum Dank an den Weihnachtsbaum. So war dieser Weihnachtsbrauch entstanden. Der Soldat habe John Lower geheißen und sei gebürtiger Bayer gewesen.

Auch wird der Brauch so gedeutet: Die Tradition hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts begonnen. Weil viele Familien kein Geld hatten, um jedem Kind etwas zu kaufen, wurde eine Gurke im Baum versteckt. Wer das Gemüse fand, bekam das einzige Geschenk.

Quellen u. a.: Christmas prickle, Mopo

Die Weihnachtsgurke

Übersetzung: Con Daily, Pine CO und Herbert Hilbe

In Bregenz I saw a cucumber as a Christmas decoration at #4D #Outfitters. Curious as I am, I asked the seller what the glass cucumber was about. The Christmas cucumber is available in the USA as a decoration for the Christmas tree. It usually consists of glass, hand-blown. It is hidden between the branches and the rest of the tree decoration. The family member who first discovers the Christmas cucumber receives an additional gift. There are three different sizes of cucumber to match the level of difficulty with the age of the children. In the USA it is assumed that this tradition is cultivated among the Americans according to old German tradition. In the German speaking countries, however, the Christmas cucumber is almost unknown. In individual cases, Christmas cucumbers appear as food for Christmas; but that may be based on another local tradition. Even a takeover from the US can not be excluded at least. The American version goes back to civil war. A young German soldier was captured. This soldier was very close to death and had the last wish to receive an acidic cucumber. This wish was fulfilled. He survived and hung a cucumber thanks to the Christmas tree. So these Christmas traditions became traditional. The soldier’s name was John Lower and came from Bavaria. The tradition is also interpreted as follows: The tradition began at the beginning of the 20th century. Since many families did not have the money to buy each child, a cucumber was hidden in the tree. Who found the vegetables, got the only gift.

Reisen

Habt ihr einen Kummer in der Brust
Anfang August,
Seht euch einmal bewusst
An, was wir als Kinder übersahn.

(Hans Bötticher)

Vieles möchte ich noch machen. So besuchte ich gerne des bairischen Konjunktivs und der doppelten Verneinung wegen oberbairische Dörfer.

 

In der für mich schönsten Stadt der Welt verbrächte ich gern regelmäßig ein paar Tage, um das Wienerische und seine unendlich vielfältige Lexik zu beoblauschen. Endlich träume ich von einer etymologisch-kulinarischen Reise, zum Beispiel von Lemberg bis Triest, mit einem Reiseblog und einer kaiserlich-königlichen Publikation über Küche, Sprachen und Völker, doch dieses Vorhaben bedürfte einiger Zeit; bereits in Lemberg sind ukrainische, polnische, jüdische, georgische, armenische und österreichische (k. u. k.) Speisen zu erwarten.

Professorales

Eigentlich wollte ich nach der Lehrzeit Journalist werden, doch verschiedene Kontakte (St. Galler Tagblatt, Tages-Anzeiger, NZZ) führten letztlich zu nichts Konkretem. Heute arbeite ich als Lektor, Korrektor und Texter, und mein Beruf wurde mir auch zum Steckenpferd.

Meine zweite Leidenschaft ist die Volksliteratur (Sagen, triviale Literatur von Karl May über Konsalik und Jerry Cotton bis zu den Comics). Europäische Volksliteratur studierte ich im Nebenfach beim leider zu früh verstorbenen Rudolf Schenda, einem überaus gescheiten Universalgelehrten, der seiner offenen Abneigung gegen Politiker als Marionetten von Industrie und Finanz einen bedingungslosen Philantropismus entgegenstellte.

Ich konzentrierte mich auf althochdeutsch, mittelhochdeutsch, mittellateinisch, Phonetik (beim damaligen Assistenten Hans-Peter Schifferle, heute Chefredaktor des Idiotikons) und Namenkunde  bei Prof. em. Stefan Sonderegger). In höheren Semestern ließ ich mich als begeisterter «Lateiner» auf die Grammatik ein. «Studienbegleitend» arbeitete ich beim Liechtensteiner Namenbuch, wurde später wissenschaftlicher Mitarbeiter und schliesslich Mitautor des zehnbändigen Standardwerks. Der Leiter des Liechtensteiner Namenbuchs, Prof. Hans Stricker, öffnete mir die Türe zu den romanischen Sprachen einen Spalt breit. Mehr als einen Spalt öffnete er später unerwartet mittels eines Osterlamms die Türe nach Rumänien sperrangelweit. Rumänien wurde mir zu einer weiteren Heimat.

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