Fronleichnam
Der Üsahärrgottstag – Bräuche und Gebräuche an Fronleichnam
Publiziert in: Dorfspiegel Nr. 87Der Üsahärrgottstag (Unser-Herrgotts-Tag), wie das katholische Fronleichnamsfest in vielen Mundarten Liechtensteins, Vorarlbergs und der Schweiz genannt wird, lehnt sich an die mundartliche Bezeichnung von Christus, dem Herrn an; dieser wird allgemein als (Unser) Herrgott bezeichnet.
Die Bezeichnung Üsahärrgott ist sicher eine untypische Bildung der Triesenberger Mundart (*Ünschahärrgott). Es gibt in unseren Mundarten noch an mehreren Orten Bildungen mit Üsahärrgott (nach Leo Jutz):
- Unserherrgottsblümle(in) n. ‚Gänseblümchen (Bellisc perennis)‘
- Unserherrgottskolben m. Pflanzenname ‚Rohrkolben (Typha latifolia)‘, welche im Herrgottswinkel beim Kruzifix kreuzweise aufgesteckt werden.
- Unserherrgottsrolle f. Pflanzenname ‚Trollblume (Trollius)‘, sie wird zu Fronleichnam auf den Weg der Prozession gestreut.
- Unserherrgottsrose f. ‚Pfingstrose (Paeconia officinalis)‘.
- Unserherrgottswinkel m. ‚(meist geschmückte) Ecke in der Stube, in der das Kruzifix aufgehängt ist‘; und dann eben der
- Unserherrgottstag m. ‚Fronleichnamstag‘ (im vorarlbergischen Götzis wird der Sonntag nach Fronleichnam alter Unserherrgottstag genannt)
Fronleichnam, mittelhochdeutsch vrônlîch(n)am ‚Leib des Herrn‘, ist die mittelhochdeutsche Übersetzung des lateinischen CORPUS DOMINI. Dieses Fest der katholischen Kirche zur Verehrung der Eucharistie wird am Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitsfest (1. Sonntag nach Pfingsten) gefeiert. Der Feiertag entstand im Spätmittelalter, als man die Feier der Messe immer mehr als Schauspiel betrachtete und der Mahlcharakter der Eucharistie weitgehend aus dem Bewusstsein geschwunden war. Den äusseren Anstoss gaben die Visionen der heiligen Juliana von Lüttich (†1258), die 1209 in Visionen auf das fehlende Fest der besonderen Verehrung des Altarsakramentes aufmerksam wurde. 1246 wurde das Fest in Lüttich eingeführt; 1264 schrieb es Urban IV. für die ganze Kirche vor. Für die liturgischen Texte in Messe und Stundengebet wird (besonders für die Orationen, die Sequenz „Lauda sion salvatorem“ und den Hymnus „PANGE LINGUA GLORIOSI“) mit guten Gründen Thomas von Aquin als Verfasser angenommen.
Die Fronleichnamsprozession
Höhe- und Mittelpunkt des Fronleichnamsfestes ist die Prozession, bei der seit der Mitte des 14. Jahrhunderts das Allerheiligste durch die Strassen getragen wird. An vier Altären werden Texte aus den vier Evangelien gesungen, und nach Gebet wird der Segen erteilt. Als Reaktion auf die Reformation und ihr Verständnis des Abendmahls wurde das Fronleichnams-Fest mit seiner prunkvollen Prozession eine öffentliche Demonstration katholischen Eucharistieverständnisses. Das von liturgischer Bewegung und nachkonziliarerer Erneuerung geprägte Eucharisitieverständnis hat in jüngerer Zeit neuere Formen vor allem der Prozession entstehen lassen bzw. teilweise die Prozession ganz abgeschafft.
An der festlichen Fronleichnams-Prozession waren in den Städten nach altem Brauch in entsprechender Rangordnung und Kennzeichnung durch Trachten alle Stände und Altersklassen, die Zünfte und Bruderschaften beteiligt bzw. repräsentiert. Dies zeigt sich heute noch in Prozessionsordnungen, welche von Dorf zu Dorf verschieden sind. Auch das festliche Beflaggen von Strassen und Häusern zeigt das enge Zusammenleben von kirchlichem und weltlichem Fest gerade am Fronleichnamstag.
Bei der Prozession «um da Hag» tragen vier Mitglieder der Gemeindebehörde (Vorsteher, Vizevorsteher, Gemeindekassier und der an Jahren älteste Gemeinderat; die zwei jüngsten Gemeinderäte tragen Laternen) den sogenannten Himmel, einen Baldachin, unter welchem der Pfarrer die Monstranz mit dem Allerheiligsten trägt.
Früher waren es vier, heute sind es nocht zwei Altäre, an denen die Prozession Halt macht und der Pfarrer je einen Anfang der vier Evangelien singt und den Segen erteilt. Die Altäre sind festlich geschmückt; vor die Altäre wird ein Teppich aus entstielten Blumen (Margrita, Bachrolla, Scabiose, Pfingstrosenblätter) gelegt. Neben den Hauptaltären finden sich bei den Häusern, an denen die Prozession vorbeiführt, kleine privat Altäre.
Von der Trachtengruppe (früher von den Jungfrauen) wird eine Muttergottesstatue in der Prozession mitgetragen. Um da Hag geht man heute noch mit Kind und Kegel. Die Frauen tragen ihre kleinen Kinder oder stossen den Kinderwagen. Daran hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert.
Der Üsahärrgottstag im Volksglauben
Der Üsahärrgottstag hat auch im Volksglauben und Volksbrauch mannigfache Spuren hinterlassen. In Deutschland ist die Fronleichnamsprozession sofort nach ihrer Einführung zur Flur- und Wetterprozession geworden: Die Prozession bewegt sich durch die Felder, wo nach den vier Himmelsrichtungen vier Altäre erbaut sind. In vielen Gegenden der Steiermark hat am Fronleichnamstag jedes Mädchen die Pflicht, beim Kirchgang einen grünen Kranz auf dem Kopf zu tragen und so vor der ganzen Gemeinde ein erneutes Zeugnis seiner Jungfräulichkeit abzulegen.
Ein Kinderfesttag
Fronleichnam ist auch ein Kinderfesttag. Säuglinge und Kinder, die an die Prozession mitgenommen werden, gedeihen gut. Wenn man mit ihnen alle vier Altäre besucht, sind sie vor einem unnatürlichen Tod sicher, auch herrscht an manchen Orten die Meinung, solche Kinder ertränkten sich nicht. In Süddeutschland stellt man das Kind nach der Prozession auf die Stelle eines Altars, wo beim Segen das Allerheiligste gestanden hat, damit es gehen lerne. In Endingen am Kaiserstuhl bringt man auf die Altäre Wein und Äpfel, die nach der Prozession an die Kinder verschenkt werden, damit sie gesund bleiben. In Tschechien lässt man Rosen und andere Pflanzen in der Kirche weihen und legt sie dann den Kindern in ihr Bett. In Triesen gab es früher nach der Vesper ein sogenanntes Kinderfest.
Heilkräfte und Hexenabwehr
Den Pflanzen, die zum Schmuck der Altäre angebracht sind, wohnen vielerlei Kräfte inne; man bewahrt sie auf und benutzt sie zu allerlei magischen Zwecken: Man hängt sie über Türen und Bildern auf, um böse Geister fernzuhalten und legt sie unter den Strohsack um böse Geister abzuhalten. Auch einige nicht zum Prozessionsschmuck verwendete Pflanzen haben an Fronleichnam besondere Kraft. Wer einen Vierklee findet, während bei der Prozession das Evangelium des Johannes gesungen wird, kann damit allerlei Zauberkünste treiben; wenn man einem unschuldigen Kind einen Vierklee in die Haare zopft, sieht es alle Hexen; die blaue Kornblume, auf Fronleichnamstag mit der Wurzel ausgerissen, stillt Nasenbluten, wenn man sie in der Hand hält, bis sie warm wird; die letzten Sommerrettiche sät man an Fronleichnam. Die Bienen, die an Fronleichnam schwärmen, sind die vorzüglichsten – man sagt, sie bauten dann eine Monstranz.
Wetterregeln
Schönes Wetter am Fronleichnamstag verspricht reichlichen Honigertrag Wenn es an Fronleichnam auf die bestreuten Prozssionsstrassen regnet, dann wird jeder Tag, an welchem man heuen will, nass; wird das Gras, mit welchem teilweise die Prozessionsstrassen bestreut worden sind, dürr, dann kommt auch das Heu gut in den Stall; «ist’s um Fronleichnamstag klar, so bedeutet’s Gutes ohn‘ alle Gefahr».
Auch allerlei Unheimliches verbindet der Aberglaube mit dem Fronleichnamsfest: Wer im Neckar badet, ertrinkt; einen Mann, der beim Holzhacken zu Tode gefallen war, hört man auch nachher noch Holz hacken; es zeigen sich die Alpgeister; Holzdiebe werden durch Schlangen erschreckt. Hierher gehört wohl auch der Brauch, am Üsahärrgottstag nur die notwendigsten Arbeiten auf dem Hof zu erledigen, vor allem aber nicht zu heuen. Wer an diesem Tag die Heuernte einbringt, dem ist das Unglück im Stall sicher. An Fronleichnam gibt es viele örtliche Sonderformen, die bekanntesten sind wohl der Antlassritt im Brixental, die Blumenbilder in den Münchner Kirchen, die Hallstätter Schiffprozession oder das Wegelschtraat der Deutschen in Ungarn, wo der Priester mit der Monstranz über einen kunstvollen Teppich aus Blumen und Grün schreitet. Die enge Verbindung von Ritus und Volksleben erweist auch der traditionelle Festnachmittag; vielerorts wird an diesem Nachmittag der Herrgottswein getrunken; in Triesenberg trifft sich die Gemeinde auf dem Dorfplatz.
Mütschlisunntig
Am Triesenberg ist es Brauch, dass die Kinder von Gotta und Götti Mütschli erhalten; ein Umstand, der dem Üsahärrgottstag den Zweitnamen Mütschlisunntig bescherte. Das Mütschli geht sprachlich auf das mittelhochdeutsche Wort mütschelin zurück, eine Verkleinerungsform zu mutsche f. ‚kleines, geringes Brot‘; auf mutsche geht auch unser Mundartwort Mutsch m. für ein Tier (meist ein Rind, eine Kuh oder eine Geiss), welches keinen schönen Kopf hat. Ähnliche Bräuche finden sich auch in Vaduz und Schaan, wo das Üserherrgottsbrötle (in Schaan das Krüzerbrötle) nach der Prozession an die Kinder verteilt wird. Weiss gekleidete Mädchen tragen in Finhaut (Unterwallis) auf einer Bahre einen kleinen Turm aus zwei Kuchen mit einem diese krönenden Kreuz. Der Prozessionsweg zur Kirche ist lang. Nach dem Gottesdienst, oder schon beim Credo, wird das Gebäck unter die Gläubigen verteilt. Da der Brauch auch andernorts vorkommt, liegt ihm zweifelsohne der frühmittelalterliche Brauch der Bedürftigenspeisung zugrunde, der seinerseit aus dem frühchristlichen Abendmahl, dem Agape, hervorging.
In Triesenberg gilt für den Fronleichnamstag scherzhaft auch der Name Hansbadischta-Tag, doch ist dies eine andere Geschichte.
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