Dieser Artikel beruht auf einem Gespräch mit Agathe und Hubert Sele †, Gufer 37, Triesenberg (Jahrgänge 1917 und 1927). Sofern nicht speziell vermerkt, beziehen sich die Angaben auf den Zeitraum von ca. 1920 bis 1940.
Das Weihnachtsfest wird seit Mitte des 4. Jahrhunderts gefeiert. Vor dieser Zeit gab es zwar das Fest der Geburt Christi (am 6. Januar), aber erst durch die Terminverschiebung auf den 25. Dezember fand die Vermischung mit den Mittwinterfesten der Germanen statt, und zugleich bewirkte die Terminverschiebung, dass auch römische Neujahrs- und Mittwinterbräuche ins christliche Weihnachtsfest übergingen.
Also ist im christlichen Weihnachtsfest mit römischen und germanischen bzw. vorrömischen und vorgermanischen Bestandteilen zu rechnen. Diese Bestandteile wiederum führten in den einzelnen Regionen und zu verschiedenen Zeiten zu recht unterschiedlichen Ausprägungen. Vieles vom Brauchtum um das Weihnachtsfest, wie wir es heute kennen, ist noch relativ jung. So ist der Christbaum bei uns gerade einmal hundert Jahre alt, Adventskranz oder gar Adventskalender sind noch viel jünger.
Der 6. Dezember
Der 6. Dezember wird am Triesenberg seit den, vermutlich späten, zwanziger Jahren in einer der uns bekannten Arten gefeiert.
Am Abend kam der Sämichlaas, meist ein naher Verwandter oder Bekannter (in der Regel ein Onkel), bekleidet mit Mantel, Bart und Zipfelchappa. Mit den Worten bätta, bätta betrat er die Stube, und die Kinder sagten das Schutz-Engeli mein auf.
Der Sämichlaas wusste über die guten Taten der Kinder genauestens Bescheid, denn in den Tagen oder Wochen zuvor legten die Kinder ein Scheit vor das Haus, auf welchem für jede einzelne gute Tat von den Eltern eine Kerbe angebracht wurde. Für den Esel vom Sämichlaas legten die Kinder zuweilen abends ein Wüsch Heu vor das Haus.
Der Sämichlaas hatte von Anfang an dieselben Funktionen wie heute: Er rügte die Kinder ihrer schlechten Eigenschaften wegen, lobte deren gute Taten und nahm die Weihnachts-Wünsche entgegen.
Der Sämichlaas kam in den ersten Jahren vermutlich noch allein in die Stuben, später begleitete ihn das Christkind, das ganz in Weiss gekleidet war, sich aber passiv verhielt. Die Ablösung des Christkindes durch den Krampus geschah erst in den vierziger oder fünfziger Jahren. Als Gaben brachten der Sämichlaas und das Christkind gedörrte Birnen, Äpfel und Nüsse.
Der Sämichlaas begab sich nach dem Besuch der Kinder mit einem oder beiden Elternteile in die Küche, um sich mit einem Schnaps zu stärken. Die Kinder mussten währenddessen im Wohnzimmer bleiben.
Weihnachten
Am Abend des 24. Dezember wurden die Kinder früh zu Bett gebracht. An diesem Abend wurde vom Christkind der Christbaum geschmückt. Den Baum hatte der Vater bei der Gemeinde erstanden.
Die Christbäume, die die Gemeinde verkaufte, waren plombiert und der Waldvogt kontrollierte, ob die Bäume rechtens gefällt worden sind. Wenn es sich beim Christbaum um einen unplombierten Baum aus privatem Waldbesitz handelte, musste die Herkunft des Christbaumes anhand des Stammstumpfes, welcher im Wald zurückgeblieben war, bewiesen werden können: Dem Waldvogt wurde das untere Ende des Christbaumstammes übergeben, damit im Wald die rechtmässige Herkunft kontrolliert werden konnte. Der Christbaum stand im Tischwinkel. Er war mit bunten Kugeln, Äpfeln, Engelshaar und Zäälta geschmückt.
Die Kinder standen am Morgen des 25. Dezember meist früher als sonst auf, um sofort in der Stube nachzuschauen, was das Christkind ihnen gebracht hatte. Geschenke gab es an Weihnachten ausschliesslich von den Eltern. Es handelte sich wiederum um Äpfel und gedörrte Birnen sowie um eine Zäälta; meistens lag noch ein Paar Socken unter dem Christbaum. Grössere Geschenke waren etwa eine Riitgeis. Den Mädchen schenkte man, sobald sie älter geworden waren, etwas an die Aussteuer. Besonders beliebt waren bei den Kindern die Zäälta, auf denen, wie heute noch, ein Bild vom Sämichlaas aufgeklebt war. Mit diesen Bildern schmückten die Kinder die Wände im Haus. Nach der Bescherung gingen die Kinder in das Amt, am Abend wurden die Kerzen auf dem Christbaum entzündet. Der Christbaum stand bis ca. Mitte Januar, teilweise sogar bis Lichtmess in der Stube.
Jahreswechsel
Wer am Morgen des letzten Tages des Jahres als erste(r) aufstand, wurde Tilitapp gerufen, wer am längsten schlief Silvester. Am Silvesterabend trafen sich die Jungmänner auf Üenaboda. Die Nacht verbrachten sie, indem sie von Haus zu Haus zogen (berücksichtigt wurden natürlich nur Häuser, in denen ein lediges Mädchen wohnte).
Die Kinder besuchten am Neujahrstag die Taufpaten, von denen sie ein Geldgeschenk erhielten (zwei Franken). Ausserdem besuchten die Kinder alle Häuser im eigenen Bot. Hier erhielten sie pro Haus entweder fünf Rappen, ein Stück Birnbrot oder einen Apfel.
An Dreikönig war im Kulm die Christbaumfeier, die abwechslungsweise von der Harmoniemusik und dem Männergesangsverein organisiert wurde. An dieser Christbaumfeier, einer der wenigen jährlichen Tanzveranstaltungen von damals, stand auf der Tanzfläche ein geschmückter Christbaum. Im Laufe des Festes wurde der Christbaum Ast für Ast unter den Anwesenden zugunsten der jeweiligen Vereinskasse versteigert. Dieses Fest ist mit dem Beginn des 2. Weltkriegs verschwunden.
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